Pastor, Lehrer und Kindermund

Elisabeth Clute-Simon - die „Schlanke“ – erzählte diese Begebenheit aus ihrer Kinderzeit:

 

In den 20er Jahren war es üblich, dass der Pastor und der Dorfschullehrer sich nach ihrem mittäglichen Philologenschläfchen trafen, um einen kleinen Spaziergang durch den Ort zu machen. Dabei war es für die Schulkinder selbstverständlich, dass sie – sobald die beiden Honoratioren sichtbar wurden – ihr Spielen unterbrachen und sofort beiden artig die Hand gaben. Die Kinder, die noch nicht in der Schule waren, ließen sich durch die Anwesenheit der beiden Herren allerdings noch nicht besonders beeindrucken.

 

Es war Hochsommer und es hatte lange nicht geregnet. Die Erde war pulvertrocken. Pastor Rickschnitz und Lehrer Kruse machten in der nachmittäglichen Sommerhitze ihre Runde durch Allendorf. An einem Garten blieben sie stehen und schauten über dem Zaun den Kleinkindern zu, die dort im Dreck eifrig spielten und bauten. Die Kinder ignorierten die beiden Herren. „Ihr seid ja ganz eifrig bei der Sache“, so wollte Pastor Rickschnitz eine Unterhaltung beginnen. Aber keine Reaktion der spielenden Kinder, die aus der ansonsten trockenen Gartenerde richtig schöne Matsche gemacht hatten.

 

Lehrer Kruse gab nicht auf, er bestaunte die aus feuchter Erde geschaffenen Formen und Förmchen und fragte interessiert, ob er denn mitspielen dürfe. Die Kinder formten weiter. Nur ein kleines Mädchen guckte ihn aus der Hocke von unten wohlwollend an, legte den Kopf auf die Schulter und fragte keck: „Haste Pisse?“